07.12.2017rss_feed

Kükentöten: Neue vollautomatische Anlage zur Geschlechtsbestimmung stellt baldigen Ausstieg in Aussicht

Das millionenfache Töten männlicher Eintagsküken stellt eine große Herausforderung dar, die die Geflügelbranche, aber auch Politik und Gesellschaft intensiv beschäftigt. Im Rahmen internationaler Forschungs- und Entwicklungsprojekte suchen Experten seit Jahren nach Lösungen, die das Kükentöten so schnell wie möglich beenden sollen. Nun hat die Firma Agri Advanced Technologies (AAT), ein Tochterunternehmen der weltweit agierenden EW GROUP, eine praxistaugliche Anwendung vorgestellt, die dieses ermöglicht und entscheidende Vorteile für den Einsatz im Brütereibetrieb bietet. Nach erfolgreichen Vorversuchen wird mit einem Ersteinsatz in einer Brüterei ab Herbst 2018 gerechnet.


Die Anwendung baut auf der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Grundlagenforschung zur Spektroskopie auf und wird derzeit zu einer marktfähigen Lösung für den Einsatz in Brütereien weiterentwickelt. Dabei wird durch ein optisches Verfahren das Geschlecht von Hühner-Embryonen bereits im Ei identifiziert. Männliche Küken können so noch vor dem Schlupf aussortiert werden und müssen dann nicht mehr als Eintagsküken getötet werden.

Das von der Firma AAT mit Brütereifachleuten aus den Schwesterunternehmen der EW GROUP entwickelte Verfahren arbeitet vollautomatisiert – von der Entnahme der Eier aus dem Brutschrank, der Perforierung der Eischale und Abnahme des Eideckels, über die eigentliche spektroskopische Untersuchung sowie deren Auswertung und anschließende Sortierung der Eier nach Geschlecht, bis hin zum Wiederverschluss der Eier und der Rückführung in den Brutschrank.

Die Bestimmung des Geschlechts erfolgt bereits am vierten Bruttag – und damit früher als bei anderen Verfahren, die weltweit erforscht werden. Die Messgenauigkeit ist zudem mit 98 Prozent überaus hoch. Diese Präzision ermöglicht eine selbstlernende, eigenentwickelte Software, die auf Basis neuronaler Netzwerke arbeitet und mit jeder neuen Messung exaktere Ergebnisse liefert. Weitere Anforderungen für den Praxiseinsatz – wie möglichst geringe Auswirkungen auf die Schlupfraten und eine Kapazität von bis zu 100.000 Eiern täglich – sind Bestandteil der nun laufenden Testphase.

Das Neuartige an der AAT-Lösung: Das Ei wird am stumpfen Pol geöffnet, was erhebliche Vorteile mit sich bringt. Die Ei-Haut bleibt vollständig intakt, so dass die Schlupfraten nur minimal beeinflusst werden. Dies ist deswegen möglich, weil sich am stumpfen Pol die Luftblase des Eies befindet. Die Perforierung der Eischale und Abnahme des Eideckels erfolgen ohne die Eihaut anzutasten. Zudem müssen die Eier für die Bestimmung des Geschlechts nicht erst gedreht werden. Denn: Eier lagern grundsätzlich mit dem spitzen Pol nach unten im Brutschrank.

Abschluss der Voruntersuchungen, Weiterentwicklung zur Marktreife

In umfangreichen Voruntersuchungen konnte die Funktionalität des Verfahrens im Hinblick auf die Genauigkeit der Bestimmung und das Schlupfergebnis eindeutig nachgewiesen werden. In einem nächsten Schritt erfolgen nun die Automatisierung der bislang händisch durchgeführten Verfahrensschritte und die Erprobung im Dauereinsatz. Im Mittelpunkt steht vor allem die Frage, ob die in den Vorversuchen erzielten Ergebnisse auch im automatisierten Ablauf erreicht werden können. Dazu wurde eine aus drei miteinander verbundenen Modulen bestehende Anlage konstruiert. Darüber hinaus ist die Prüfung der Funktionalität an braunen und weißen Eiern sowie bei unterschiedlicher Eischalen-Qualität zu überprüfen.

Nach Zertifizierung der Prozessqualität durch ein unabhängiges Prüfinstitut gehen die Entwickler nach derzeitigem Stand von einem Ersteinsatz der Anlage im Herbst 2018 aus.

Auswege aus dem Kükentöten – Experten setzen auf Geschlechtsbestimmung

Neben der Geschlechtsbestimmung im Ei existieren weitere Ansätze, die eine Beendigung des Kükentötens verfolgen. Die EW GROUP beteiligt sich seit Jahren an der Forschung und Entwicklung aller Verfahren, jedoch wird die Geschlechtsbestimmung international als die derzeit einzig marktfähige Lösung betrachtet:

  • Die Aufzucht der männlichen Küken ist aufgrund des im Vergleich zum Standard-Broiler deutlich geringeren Fleischansatzes keine Alternative. Es fehlt hier schlicht an der Akzeptanz beim Verbraucher, der insbesondere mehr Brustfleisch wünscht. Auch die Futterverwertung der Bruderhähne ist schlechter. Eine Mast würde demnach deutlich länger dauern und sehr viel mehr Futtermittel beanspruchen, das über neue Anbauflächen erst produziert werden müsste – dies wirkt sich negativ auf den Ressourcen- und Umweltschutz aus und ist daher weder ökologisch, noch ökonomisch nachhaltig.
  • Auch bei der Zucht von sogenannten Zweinutzungshühnern – einer speziell gezüchteten Rasse, bei der die weiblichen Tiere weniger Eier legen, die männlichen Tiere jedoch mehr Fleisch ansetzen – scheitert es letztlich an der Verbraucherakzeptanz. Der Fleischanteil ist auch hier nicht für den Einzelhandelsverkauf ausreichend, die geringere Zahl an Eiern pro Henne würde zudem die Produktion von Eiern verteuern. Auch beim Zweinutzugshuhn müssten mehr Futtermittel und Anbaufläche bereitgestellt werden.

Bleibt die Geschlechtsbestimmung im Ei, die international mit sehr unterschiedlichen Ansätzen erforscht wird. Dabei sind bislang nur zwei Arbeitsgruppen aus Deutschland mit belastbaren Ergebnissen an die Öffentlichkeit herangetreten. Der eine Ansatz beruht auf der Bestimmung der Konzentration einer hormonähnlichen Substanz im Harn des Embryos ab dem 9. Bruttag. Beim zweiten Ansatz erfolgt die Bestimmung des Geschlechts mit Hilfe des optischen Messverfahrens am 4. Bruttag – dem Ansatz, auf dem auch die Lösung der Firma AAT beruht.

Über Agri Advanced Technologies

Agri Advanced Technologies (AAT) wurde 2015 gegründet und ist ein Tochterunternehmen der weltweit agierenden EW GROUP mit Sitz im niedersächsischen Visbek. Hauptbetätigungsfeld ist die Entwicklung von speziellen Anwendungstechnologien für die Tierzucht und Tierhaltung. Besonderes Kennzeichen von AAT ist, dass die Lösungen den gesamten Entwicklungsprozess von der wissenschaftlichen Analyse der Aufgabenstellung über die Konstruktion der Anwendungstechnik bis zur Dokumentation und Handbucherstellung umfassen.

Pressekontakt
Roman Goodarzi
Grayling Deutschland GmbH
aat@grayling.com