25.10.2016rss_feed

Mitgliederversammlung der ADT 2016 in Brüssel

Aktuelle Themen der EU-Tierschutzpolitik, die Herausforderungen an Tierzucht und –haltung aus Sicht einer Landestierschutzbeauftragten und die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission in der Klimapolitik und deren Folgen für die Tierproduktion waren die Hauptthemen für die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT), die am 10. Oktober 2016 in der Vertretung des Freistaats Bayern bei der Europäischen Union in Brüssel stattfand. Die Vertreter der deutschen Tierartendachverbände wurden von Alexandra Kostorz vom Referat Tiergesundheit und Tierschutz in der Generaldirektion SANTE darüber informiert, dass Vytenis Andriukaitis, der zuständige EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, zunächst die noch ausstehenden Maßnahmen der EU-Tierschutzstrategie 2012 – 2015 zu Ende führen möchte, bevor über neue Initiativen in diesem Bereich beschlossen wird.

 


Die Kommission hält die bestehende Tierschutzgesetzgebung vom Grundsatz her für ausreichend, wird aber künftig noch stärker auf die korrekte Umsetzung durch die Mitgliedstaaten drängen. Schwerpunkte sind zunächst der Tiertransport und die Schweinehaltung. Breiten Raum wird zudem der angestrebten Etablierung der EU-Tierschutzplattform und deren Vernetzung mit den noch zu benennenden Tierschutz-Referenzzentren der EU gegeben werden. Im zweiten Vortrag erläuterte die Landestierschutzbeauftragte aus Baden-Württemberg, Cornelie Jäger, die aus ihrer Sicht größten Herausforderungen für die Branche, verbunden mit Vorschlägen, wie sich gesellschaftliche Akzeptanz zurückgewinnen ließe. Hauptvorwürfe an die Tierzucht aus Sicht des Tierschutzes sind die unverändert hohen Leistungen der Tiere, die aufgrund der enormen Stoffwechselleistung anfälliger sind für diverse Störgrößen sowie die kurze Nutzungsdauer und die im Verhältnis dazu zu langen Aufzuchtzeiten. Unter Hinweis auf das Gutachten der Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik und Waldpolitik beim BMEL machte Cornelie Jäger den Vorschlag, die Zucht konsequent auf Lebensleistung auszurichten und dabei tatsächlich auf Spitzenleistungen zu verzichten. Außerdem sollten die Tierhalter verstärkt auf Eigenkontrollen setzen, um so einer gewissen Betriebsblindheit zu begegnen. Die erhobenen Daten könne man vielleicht sogar für die Zuchtwertschätzung nutzen. Schließlich appellierte sie an die Landwirte, offener zu kommunizieren und die Lücken zum (eher nicht vorhandenen) Vorwissen der Verbraucher zu schließen. Ger Klassen von der Generaldirektion Klimapolitik präsentierte das Maßnahmenpaket der Kommission für den Übergang Europas zu einer CO2-armen Wirtschaft. Die Vorschläge vom Juli 2016 enthalten verbindliche nationale Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch die Mitgliedstaaten. Demnach soll der Wirtschaftszweig Landwirtschaft seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 30 % senken. Die nationalen Emissionsminderungsziele fallen dabei je nach Mitgliedstaat unterschiedlich hoch aus; Deutschland liegt mit -38 % leicht über dem EU-Durchschnitt. Bei den Optionen zur Reduzierung der Nicht-CO2-Emissionen kommt der Zucht auf Futtereffizienz eine besonders große Rolle zu.

Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Schons hatte zuvor über das positive Ergebnis des Geschäftsjahres 2015 und aktuelle Schwerpunkte der Verbandsarbeit berichtet, zu denen die EU-Tierzuchtverordnung und das EU-Tiergesundheitsgesetz zählten. Beide Rechtsakte sind inzwischen im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden; werden aber erst nach einer Übergangzeit vollständig angewandt. Die ADT bringt sich außerdem in ein neues Pilotprojekt zu bewährten Methoden beim Tiertransport ein, dessen Ziel die Erstellung und Verbreitung von tierartenspezifischen Leitlinien ist. Die darin getroffene Unterscheidung zwischen guten und besten Praktiken wird derzeit noch von Experten in verschiedenen Arbeitsgruppen diskutiert. Bis Ende dieses Jahres sollen die endgültigen Texte fertiggestellt sein.

Im Namen der gastgebenden Landesvertretung begrüßte Dr. Jörg Hirsche die Gäste zum traditionellen Parlamentarischen Abend, der sich diesmal mit neuen Züchtungstechniken wie dem Gene Editing befasste. Präsident Reimer Böge hob die besondere Aktualität des Themas auf EU-Ebene hervor, wo die Europäische Kommission ihre lange angekündigte rechtliche Einordnung bestimmter Techniken bereits mehrfach verschoben hat. Dr. Hans-Peter Schons betonte, dass sich die neuen Verfahren insbesondere im Zusammenspiel mit den zu erwartenden Fortschritten in der Genomanalyse und in der Digitalisierung zu einer Schlüsseltechnologie entwickeln werden. Er mahnte eine institutionalisierte Debatte mit der Zivilgesellschaft an, die sich nicht auf kurzfristige Kosten-Nutzen-Betrachtungen beschränkt, sondern in einem weiter gefassten Rahmen die Werte und Visionen verschiedener Lebenseinstellungen und Handlungsalternativen einbezieht. Dr. Inga Schiefler vom Förderverein Biotechnologieforschung (FBF) erläuterte danach die Techniken des Gene Editing und beleuchtete die Chancen und Risiken. Sie plädierte dafür, den Forschungsstandort Deutschland zu erhalten und angesichts der rasanten Weiterentwicklung der Methoden ausreichende Kompetenzen aufzubauen, damit Wissenschaftler, Behörden und Wirtschaft auf einer soliden Grundlage Entscheidungen treffen können. Die von der ADR-Geschäftsführerin Dr. Bianca Lind moderierte Diskussionsrunde mit Dr. Schiefler und den deutschen Europaabgeordneten Martin Häusling (Bündnis 90/Die Grünen), Maria Noichl (SPD), Ulrike Müller (Freie Wähler) und Albert Deß (CSU) war sich einig, dass man sich dem Fortschritt nicht verwehren sollte. Die Tierzüchter wurden aufgefordert, sich zu positionieren, was sie mit den neuen Verfahren erreichen wollen und zudem auf den Erhalt der genetischen Vielfalt zu achten. Hervorgehoben wurde ferner die Bedeutung unabhängiger Forschung.

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Quelle: ADT