14.05.2009rss_feed

Fordern, fördern, lange Leine – FLI/DGfZ-Tagung in Braunschweig

Zu einem interdisziplinären Austausch unter dem Motto Die Milchkuh im Spannungsfeld von Leistungshöhe, Ernährung und Gesundheit lud das Institut für Tierernährung des Friedrich-Loeffler-Institutes (FLI) und die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ), am 23. und 24. April 2009 nach Braunschweig ein. Die Tagung bot den rund 200 Zuhörern ein buntes Programm aus dem gesamten Spektrum der Nutztierwissenschaften.

Die einleitenden Grußworte von Herrn Prof. Conraths, dem Vize-Präsidenten des Friedrich-Loeffler-Instituts, und Herrn Dr. Lode, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde, unterstrichen den Hintergrund und die Notwendigkeit zur Durchführung einer solchen Tagung. Beschreibungen wie‚ Klimasünder’, ‚Rinderwahn’ und ‚Qualzucht’ prägen das gegenwärtige Bild der Milchkuh und führen dazu, dass dieses landwirtschaftliche Nutztier derzeit häufiger in die Kritik gerät. Unberücksichtigt bleibt dabei der enorme Beitrag den die Milchkuh seit ihrer Domestikation geleistet hat und gegenwärtig leistet. Vertretbare Lösungen in den Bereichen Tierschutz, Haltung, Ökonomie, Ethik, Umwelt u.v.m. sind erforderlich, um die Milchkuh aus dem Spannungsfeld zurück in ein entspanntes und auf jeden Fall spannendes Forschungsfeld zu holen.

Mit seinem Lebensmotto Fordern, Fördern und lange Leine, mit dem Herr Prof. Flachowsky seine wissenschaftliche Laufbahn begann, sollte seiner Meinung nach auch die gegenwärtige Forschung bzw. Förderung junger Wissenschaftler betrieben werden. Mit dieser Arbeitsform würde das Forschungsfeld Tierwissenschaften wieder an Attraktivität und damit auch Nachwuchswissenschaftler gewinnen können. Wie vielfältig und zugleich fortschrittlich allein der Bereich Milchkuh ist, wurde schließlich in vier verschiedenen Sessions zur Ökonomie, Züchtung und Haltung, Ernährung und Tiergesundheit präsentiert.

Der Auftaktvortrag Ökonomie der Milchviehhaltung und den internationalen Trends klärte, soweit vorhanden, offene Fragen zur derzeit diskutierten Milchpreisentwicklung. So wird beeinflusst von der weiterhin weltweit boomenden Milcherzeugung, ein deutlicher, allerdings mit starken Schwankungen versehender Anstieg des EU-Milchpreises nach Überwindung der internationalen Wirtschaftskrise erwartet. Welche Rolle das Tier, sprich die Kuh selber bei der Milchproduktion spielt, war Grundlage der zweiten Session Züchtung und Haltung. Noch lange nicht voll ausgeschöpfte Leistungspotentiale in Bezug auf hochleistende und gesunde Kühe, ein national und internationales allgemeines Populations-Rasse-Zuchtziel und die Möglichkeit mit der Genomischen Selektion u.a. die funktionalen Merkmale züchterisch zu verbessern, waren einige Schlagworte dieser Session. Vorträge über die Erzeugung transgener Tiere als Lieferanten pharmazeutischer Inhaltsstoffe und die Möglichkeit zur züchterischen Bearbeitung des Merkmalkomplexes Nutzungsdauer rundeten den Zucht-Komplex ab und vervollständigten den Ausblick auf zukünftige Möglichkeiten und den Forschungsbedarf im Bereich der Milchviehzucht.

Nach einer kurzen diskussionsreichen und erfrischenden Kaffeepause übernahm Herr Min. Dir. Bernhard Kühnle vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) das Wort. Nicht nur in seiner Laudatio wurde der große Beitrag den Herr Prof. Flachowsky im Bereich der Nutztierwissenschaften, insbesondere für die Tierernährung, der Praxis- und Politikberatung geleistet hat hervorgehoben. Durch die Auszeichnung von Herrn Prof. Flachowsky mit der Professor Niklas-Medaille in Silber, der höchsten Auszeichnung des BMELV, die Herr Min. Dir. Kühnle im Auftrag der Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Ilse Aigner durchführte, erreichte die Vortragsveranstaltung ihren feierlichen Höhepunkt.

Raus aus dem Tier, rein in die Umwelt. Dass man in Sachen Tierschutzprobleme auf optimalen Kuhkomfort setzen sollte, darüber wurde der Zuhörer im Haltungs-Komplex informiert. Praxisberichten zu Folge bringt Kuhkomfort zwar bis zu 30 % mehr Milch, andererseits wird durch zunehmende Leistung auch die Tiergesundheit beeinflusst. Diese ist zudem durch ein hohes Risiko für Tierseuchen in Deutschland gefährdet. Durch die Globalisierung und die Veränderung des Klimas wächst die Gefahr der Verbreitung von Tierseuchen. National, EU- und weltweit besteht daher dringender Handlungsbedarf.

Von der Umwelt zurück zur Physiologie des Tieres. Die dritte Session Ernährung gab einen umfangreichen Überblick zur tier- und leistungsbezogenen Fütterung und zu den Qualitätskriterien, die ein Futtermittel mit sich bringen muss, um mögliche Schäden am Tier, insbesondere Leistungseinbußen, durch die Fütterung zu vermeiden. Eine ausreichende Versorgung mit energie- und nährstoffreichem Futter ist in der heutigen Milchviehhaltung unabdingbar, um die gewünschten Leistungen zu erzielen. Erhaltungsbedarf, Mobilisation und der Ansatz von Körpersubstanz sollten bei der Umsetzung einer bedarfsgerechten Fütterung stärker berücksichtigt werden. Mit diesem Fazit wurde der erste Vortragstag abgeschlossen und die Diskussion auf die gemeinsame Abendveranstaltung in der Kantine des Johann Heinrich von Thünen-Institutes verlegt. Beim gemeinsamen Essen und anschließender Unterhaltung durch das betriebseigene Ensemble Rouge, wurde der erste Tag abgerundet.

Am zweiten Vortragstag wurde die Tierernährungssession fortgesetzt. Hier wurde deutlich, dass eine verstärkte Kooperation zwischen Futtermittelindustrie und Tierernährungskunde einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Futtermittelqualität leisten kann.

In der vierten und letzten Session wurde der Bereich Tiergesundheit bei der Milchkuh beleuchtet. Der landwirtschaftliche Strukturwandel und die damit verbundene Automatisierung der Betriebe sind neben der Fütterung entscheidende Faktoren, die die Tiergesundheit maßgeblich beeinflussen. Der Managementfaktor, insbesondere auch die richtige Interpretation von Stoffwechselparametern, nimmt einen hohen Stellenwert im Bereich der Tiergesundheit ein.

In seinen Abschlussworten resümierte Prof. Rodehutscord alle Beiträge der zweitägigen Veranstaltung und hob deutlich den Forschungsbedarf im gesamten Spektrum der Tierwissenschaften hervor. Weitere interdisziplinäre Veranstaltungen sowie koordinierte, innovative Forschungsprojekte sollten die künftige Forschungsarbeit begleiten, um einen Mittelweg zu finden, der sowohl dem Tierschutz, Ökonomie, Ethik und Haltung gerecht wird.

Alle Beiträge sind in einer der folgenden Ausgaben der Züchtungskunde nachzulesen.