16.03.2011rss_feed

6. Pferde-Workshop vom 22. bis 23. Februar 2011 in Uelzen – Neue Herausforderungen für die Tierzucht und -haltung

Im Zuge der allgemeinen Wohlstandsentwicklung der letzten Jahrzehnte hat sich das Pferd zu einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. So sind heute in den Bereichen Sport, Hobby, Zucht und Haltung von Pferden über 300.000 Arbeitsplätze verfügbar. Über 3.000 Firmen haben in Deutschland Themen rund ums Pferd als besonderen Geschäftsgegenstand. Nach den verfügbaren Kalkulationen belaufen sich die anfallenden durchschnittlichen Kosten für alle Reiter und Pferdebesitzer auf jährlich ca. 2.6 Mrd. Euro. Deutschlandweit werden auf diesem Markt rund ums Pferd jährlich über 5 Mrd. Euro umgesetzt.


Die Pferdezüchter und Pferdehalter nutzen wie alle Wirtschaftszweige einerseits den biologisch-technischen Fortschritt und andererseits werden Maßnahmen für die Kostenminimierung vorangebracht. Der Betriebszweig Pferdehaltung erfordert unternehmerisches Handeln und Denken, gerade bei der zunehmenden Globalisierung.

Die Diskussion zwischen Wissenschaft und Praxis stand auch in diesem Jahr wieder im Mittelpunkt des 6. Pferdeworkshops, der vom 22. bis 23. Februar 2011 in Uelzen unter der Federführung von Professor Dr. Dr. h.c. mult. Ernst Kalm der Christian-Albrechts-Universität Kiel, der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. und der Uelzener Allgemeinen Versicherung veranstaltet wurde.

Diese Möglichkeit wurde von rund 120 Teilnehmern aus Wissenschaft, Ministerien, Zucht- und Absatzorganisationen, Beratung sowie der Praxis ausgiebig genutzt. Die 24 Vorträge zu ökonomischen Aspekten in der Pferdehaltung, Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung, neuen Merkmalen, DNA basierten Züchtungsansätzen sowie Haltung und Management sorgten für reichlich Diskussionsstoff und einen regen Austausch unter den Teilnehmern.

Prof. Kalm trug in seiner Zusammenfassung folgende Aspekte zusammen:

Im ersten Themenblock wurde über die Ökonomie der Pferdehaltung diskutiert. Betriebszweiganalysen wie in der Milchviehaltung sind in der Pferdehaltung nicht besonders verbreitet. Beispiele für Pensionspferdehaltung, für die Aufzucht von Zucht- und Sportpferden, ein sich daraus ableitendes Controllingsystem bis hin zum Risikomanagement wurden vorgestellt. Diese systematische Datenerfassung sollte wie bei den übrigen Nutztieren eingeführt werden, damit die Wirtschaftlichkeit dieses Betriebszweiges laufend analysiert werden kann. Die Weiterentwicklung der Zucht– und Pferdehaltungsbetriebe zeigt, dass sich zunehmend größere Betriebseinheiten entwickeln, die eine ökonomische Beratung nachfragen. Informationssysteme und Qualitätssicherung sind wichtige Aufgaben für die Zukunft.

Im zweiten Block standen aktuelle Fragen der Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung im Mittelpunkt. Der Staat zieht sich aus der Verantwortung für die Zucht zurück. Das Tierzuchtgesetzt wurde geändert und hat eine Übergangsfrist bis Ende 2013. In dieser Zeit darf noch die staatliche Leistungsprüfung und die Zuchtwertschätzung für bereits vorhandene Zuchtorganisationen beibehalten werden. In diesem Jahr wird das neue Hengstleistungsprüfungssystem aktiv umgesetzt. Alle potenziellen Zuchthengste sollen durch diesen sogenannten Flaschenhals, um eine Zuchtzertifikat zu bekommen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat die nicht einfache Aufgabe der Organisation, der Durchführung und Umsetzung übernommen. Eine konsequente Selektion auf der Basis von Zuchtwerten nach neuesten wissenschaftlichen Methoden bildet die Grundlage für das Abschlusszertifikat. Die Spezialisierung auf Dressur-/Spring-leistung oder als Allrounder sollte in den Leistungsprüfungen sichtbar werden. Diese Thematik wurde intensiv auf der Basis der Erfahrungen in Dänemark und Deutschland (Celle) diskutiert, dabei wurden die Merkmale und die Erfassung während der Prüfung kritisch unter dem Blickwinkel der Objektivität diskutiert. Das Thema Vorselektion wurde bisher bei der Auswertung der Aufbau- und/oder Turniersportprüfungen noch nicht berücksichtigt. Auch in Stuten- und Hengstleistungsprüfungen werden nicht alle Stuten beziehungsweise Hengste getestet. Diese sogenannte Vorselektion kann die Zuchtwerte verzerren. Anhand von Erfahrungen aus der Traberzucht und ersten Analysen der Reitpferdezucht muss über ein neues Schwellenmerkmal Start-Status nachgedacht werden. Die Erfahrungen aus der holländischen Sportpferdezucht untermauern diesen Ansatz bei der Zuchtwertschätzung.

Neue Merkmale wurden im dritten Block behandelt. Neben dem Exterieur, den Gängen und dem Leistungsvermögen eines Pferdes nimmt insbesondere dessen Verhalten einen hohen Stellenwert ein. Die Erfahrungen mit praktischen Verhaltenstests wurden auf der Basis des Ergebnisses der Schweiz intensiv diskutiert. Die Nachfrage nach einem verlässlich standardisierten und praxistauglichen Verfahren besteht eindeutig. Die Erfahrungen mit physiologischen und verwandten Parametern als objektive Zusatzinformationen für Interieur wurden gemeinsam mit den Erfahrungen der Verhaltensmerkmale besprochen. Eine klare Folge für das Interieur wurde intensiv diskutiert. Die Röntgenbefunde stehen als Informationen in der Regel zur Verfügung. Eine Auswertung von umfangreichen Daten zeigt, dass die Hälfte aller Hengste befundfrei war. Tendenziell traten vor allem Befunde bei der Strahlbeinaufnahme nach Oxspring auf. Deutlich wurde darauf hingewiesen, dass röntgenologische Veränderungen ohne klinische Befunde auftreten können und nicht zwingend die Leistung des Pferdes beeinträchtigen. Der Embryonentransfer (ET) hat in der Rinderzucht Zuchtprogramme maßgeblich beeinflusst. Eine Umsetzung in den Zuchtprogrammen beim Pferd ist bisher wenig erkennbar, doch die Sportpferdezucht wird in Zukunft diese Technik nutzen. Leistungsgeprüfte junge Stuten mit sicheren und hohen Zuchtwerten gehören in das Zuchtprogramm. Ergebnisse eines umfangreichen Datensatzes zeigten die wichtigsten Einflussgrößen auf den Erfolg der Anzahl der gewonnenen Embryonen. Die Zuchtverbände wurden ermuntert, die hier vorgestellten Erkenntnisse in ihr Dienstleistungsangebot (ET) einzubeziehen, um konsequent die Minimierung des Generationsintervalls auf der Stutenseite im Auge zu behalten.

Im vierten Block standen DNA-basierte Züchtungsansätze für die Pferdezucht im Mittelpunkt. Die Genomanalyse hat sich in der Nutztierzucht fest etabliert, die Pferdezüchter haben die Vorteile dieser molekularbiologischen Technik erkannt, und es wurden entsprechende Forschungsansätze etabliert. Zum Merkmalskomplex Osteochondrose wurden Ergebnisses der FUGATO-Studie vorgestellt. Die ersten Erfahrungen aus der Freibergerzucht in Richtung genomische Selektion zeigten gute Ansatzmöglichkeiten, so dass systematische Phänotypen und DNA-Proben gesammelt werden und in einer entsprechenden Datenbank des Zuchtverbandes einfließen. Anhand von Zuchtplanungsmodellen aus der FUGATO-Forschung wurden anschließend die Vorteile der genomischen Selektion in der Pferdezucht aufbereitet. Die Rinderzucht arbeitet bereits erfolgreich mit der genomischen Selektion, dies wurde anhand der Erfahrungen mit dem VIT Verden vorgestellt. Heute stehen offizielle genomische Zuchtwerte für junge Besamungsbullen und weibliche Kälber zur Verfügung und ermöglichen eine Reduzierung des Generationsintervalls.

Abschließend wurde ein Konzept für die genomische Selektion und deren Umsetzung in der Pferdezucht vorgestellt. Dieses Konzept stellt eine große Herausforderung an die Zuchtleitung dar. Wissenschaft und Praxis werden gemeinsam diesen Weg weiterentwickeln. Konzepte zur Sicherung der Genetik wurden diskutiert. Die Optimierung der Haltung und des Managements sind wichtige Bereiche, die von der Praxis genutzt werden müssen. Dieser Bereich wurde abschließend genauer betrachtet. Folgende Themenschwerpunkte standen im Mittelpunkt: optimales Wachstum und Bewegung während der Aufzucht; kann das nächtliche Weideangebot positive Wirkungen auf das Bewegungsverhalten haben? Welchen Einfluss haben die Reitböden auf die Belastungen der Gliedmaßen?

Der Workshop lieferte wertvolle Anregungen und Erkenntnisse und zeigte Perspektiven für die Pferdezucht und –haltung auf, mit denen die Herausforderungen der Globalisierung erfolgreich bewältigt werden können. Der Workshop lebte von offenen Diskussionen zwischen Wissenschaft und Praxis.

Der Tagungsband (Heft 58 der Schriftenreihe) kann bei der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), Adenauerallee 174, 53113 Bonn, E-Mail: info@dgfz-bonn.de für 10 € angefordert werden.

(CAU)