01.03.2007rss_feed

7. Schweine-Workshop 20. und 21. Februar 2007 in Uelzen

Neue Herausforderungen für die Schweinezucht und –produktion

Neue wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen werden in diesem Jahrhundert das Bild der zukünftigen Tierzucht und Tierhaltung in Europa erheblich verändern. Wer weiterhin aktiv am Markt bestehen will, der wird sich sowohl dem globalen Wettbewerb als auch den gesellschaftlichen Forderungen stellen müssen. Die Schweinehalter müssen auf der einen Seite über Kosten- senkungen und Leistungssteigerung wettbewerbsfähiger werden, auf der anderen Seite müssen sie die Ansprüche der Gesellschaft beachten.
Der überwiegende Teil der Gesellschaft steht heute der modernen Tierzucht eher fragend und skeptisch gegenüber. Doch ohne technischen Fortschritt sind die Ansprüche der Gesellschaft in der Schweinehaltung nicht umsetzbar. Der Tierzüchter setzt moderne Methoden nicht zum Selbstzweck ein, sie dienen der Kostensenkung, der Nahrungsmittelqualität und -sicherheit, dem Umwelt- und dem Tierschutz. Die Diskussion zwischen Wissenschaft und Praxis stand auch in diesem Jahr wieder
im Mittelpunkt des 7. Schweineworkshops, der am 20. und 21. Februar 2007 in Uelzen unter der Federführung von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Ernst Kalm von der Kieler Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V., dem Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion e.V. und der Uelzener Allgemeinen Versicherungen veranstaltet wurde.

Diese Möglichkeit wurde von rund 120 Teilnehmern aus Wissenschaft, Ministerien, Zucht- und Besamungsorganisationen und Erzeugerringen sowie der Praxis ausgiebig genutzt. In 24 Vorträgen zu Rahmenbedingungen und organisatorischen Entwicklungen, Verbesserung der funktionalen Merkmale, gesundheitliches Krisenmanagement, Verbesserung der Tiergesundheit und Anforderungen an die Produktqualität und –sicherheit wurden wesentliche, die Schweineproduktion betreffende Themenbereiche umfassend bearbeitet. Prof. Kalm trug in seiner Zusammenfassung folgende Aspekte zusammen:
Die Entwicklung des Fleischverbrauches wird bis 2020 auf 377 Mio. to geschätzt davon werden gut 30 %, d.h. 100 Mio. to, für Schweinefleisch und 40 %, d.h. 151 Mio. to, für Geflügelfleisch erwartet. Zwischen 30 und 40 % der Produktion und des Verbrauches findet in den Industrieländern statt und gut 60 % in den Entwicklungsländern. Vierundzwanzig Prozent der Produktion von Schweinefleisch kommt aus Europa (EU 25), während China heute einen Anteil von 53 % realisiert. China, USA, Deutschland, Spanien und Brasilien sind die führenden Staaten in der Schweineproduktion der Welt. In Europa hat Deutschland einen Anteil von gut 23 %. Die deutsche Schweineproduktion ist auf Wachstumskurs und es ist eine kräftige Aufwärtsentwicklung festzustellen. Entgegen allen Prognosen vor etwa 15 Jahren hat Deutschland seine Spitzenposition im europäischen Vergleich ausbauen können.
Im ersten Themenblock wurde über die Rahmenbedingungen und Entwicklungen diskutiert. Die Schweineproduktion in der EU liegt auf einem hohen Niveau, doch der Trend liegt in der Wanderung der Produktion von West nach Ost, bedingt durch kostengünstigere Produktionsstandorte. Die Zuchtorganisationen der EU entwickeln strategische nationale und internationale Allianzen und sichern sich damit den Markt für den Absatz von Zuchttieren bzw. Sperma. Die deutsche Herdbuchzucht insbesondere die Pietrainzucht ist gefordert gerade bei dem Segment der Endprodukt-Eberproduktion entsprechende Allianzen zu entwickeln, um diesen Markt längerfristig zusichern. Die Besamungsorganisationen müssen auch hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten, denn die Züchtung nach der Liberalisierung des Tierzuchtgesetzes (TzGe) fordert gerade eine aktive Zusammenarbeit in Richtung gemeinsam sind wir stark.

Im zweiten Block der Themen standen die funktionalen Merkmale wie Fruchtbarkeit, Muttereigenschaften, Fundamentstabilität, Exterieur und Nutzungsdauer im Mittelpunkt. Neue Konzepte für die züchterische Bearbeitung dieser funktionalen Merkmale sind notwendig und bedürfen einer praktischen Umsetzung. Die exakte Datenerfassung in praktischen Betrieben wird zukünftig wichtiger und die Beteiligten der Zucht- und Produktionsstufe diskutierten intensiv über neue Monitoringsysteme in Form von gelenkten Feldprüfungen, die in der Rinderzucht als so genannte Testherden bereits erfolgreich arbeiten.

Tierseuchen stellen eine Gefahr für spezialisierte Schweinehaltungsbetriebe dar, hier wurden unter dem Begriff Gesundheitliches Krisenmanagement neue Strategien für Unternehmer vorgestellt. Die Erfahrungen mit der Schweinepest in Nordrhein-Westfalen wurden u.a. aufgearbeitet, eine Einbeziehung der Informationen aus dem Tierseuchen-Nachrichten-System gehört heute zum Standard und gleichzeitig benötigen die Betriebe eine finanzielle Absicherung in der Krise. Die neuen Konzepte der Versicherungswirtschaft helfen bei der Bewältigung der Risiken.
Die Diskussion um das gesundheitliche Krisenmanagement mündete in die nachfolgende Resolution, die die Teilnehmer am Schweineworkshop unterzeichneten:

Vor dem Hintergrund neuer Möglichkeiten, die sich speziell aus dem Einsatz der PCR-Technik zum Virusnachweis ergeben, appellieren die Teilnehmer des Uelzener Schweineworkshops an die Bundesregierung, sich bei der EU-Kommission mit Nachdruck für eine Modernisierung der Schweinepest-Bekämpfung, für die Nutzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und insbesondere für eine Lockerung der Verwertungs- und Handelsrestriktion einzusetzen, die bislang aus dem Einsatz einer Notimpfung resultieren. Ziel ist es, nachweislich gesunde, geimpfte Tiere sowie das von ihnen gewonnene Fleisch ohne jegliche Beschränkung frei vermarkten zu können.

Ein weiterer Schwerpunkt lag in der zukünftigen Bearbeitung von Merkmalen der Gesundheit, dieser Komplex wird aktuell erfolgreich mit den Methoden der Genomanalyse bearbeitet. Die aktuellen wissenschaftlichen Projekte u.a. für Circo, MMA, Atemwegserkrankungen, PRRS und Erbdefekte wurden vorgestellt und intensiv diskutiert.

Im letzten Themenkomplex ging es um die Produktqualität und –sicherheit. Die Fleischindustrie legte Anforderungen mit den aktuellen Hygienevorschriften dar. Neue Parameter wie Tropfsaft und intramuskuläres Fett sowie die Probleme mit dem Ebergeruch wurden anhand neuerer Ergebnisse intensiv vertieft.

Der Workshop lieferte wertvolle Hinweise und Erkenntnisse und zeigt Perspektiven für die deutsche Schweineproduktion, wie die Herausforderungen durch die sich ändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erfolgreich bewältigt werden können.
Der Tagungsband (Heft 46 der Schriftenreihe) kann bei der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), Adenauerallee 174, 53113 Bonn, Fax 0228-223497. E-Mail: info@dgfz-bonn.de für 10,--€ angefordert werden.

Quelle: Kalm, CAU Kiel / DGfZ