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Geteiltes Expertenecho auf geplantes Tierarzneimittelgesetz

Das geplante Tierarzneimittelgesetz der Bundesregierung wird von Sachverständigen teils sehr unterschiedlich beurteilt. Das zeigte eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montag unter Leitung von Alois Gerig (CDU). Während die einen den Gesetzentwurf als dringend notwendig begrüßten, kritisierten die anderen den Wegfall bewährter Regelungen und drangen auf Änderungen, insbesondere um die Antibiotikanutzung zu begrenzen. Gegenstand der Anhörung war neben dem Regierungsentwurf für ein Tierarzneimittelgesetz und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (19/28658) auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13549).

 

Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf ein Tierarzneimittelgesetz (TMG) als eigenständiges neues Stammgesetz erlassen. Im Arzneimittelgesetz (AMG) sollen zeitgleich die auf Tierarzneimittel bezogenen Bestimmungen aufgehoben werden. Damit kommt die Bundesregierung EU-rechtlichen Vorgaben nach. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag, den Antibiotikaeinsatz in der Geflügelhaltung zu verringern. Konkret soll die Anwendung des Wirkstoffs Colistin sowie aller weiterer Reserveantibiotika gesetzlich ausgeschlossen werden. Tierhaltungssysteme seien zudem so umzubauen, dass die Gesundheit der Tiere ohne die Anwendung von Antibiotika gewährleistet ist. Dafür seien tiergerechte Haltungssysteme, ausreichend Platz und Freilandzugang essenziell, heißt es im Antrag.

Harsche Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung äußerte der Einzelsachverständige Rupert Ebner: Dem Anspruch, eine leichter zu folgenden Richtschnur für Tierärzte und Verwaltung vorzugeben, werde der Entwurf nicht gerecht. Er vermisse auch eine klar erkennbare Strategie gegen den unsachgemäßen und illegalen Einsatz von Tierarzneimitteln wie Antibiotika, monierte der Tierarzt. Das Gesetz stelle hier sogar einen Rückschritt zu geltenden Regelungen dar: Einer der wenigen Dämme, die noch halten sei die 7-Tage-Regelung zur Verhütung von Arzneimittelmissbrauch. Diese solle mit dem neuen TMG aber angeschafft werden.

Auch Fachtierarzt Andreas Palzer, dessen Praxis Aufzucht- und Mastbetriebe betreut, sprach von einem gravierenden Einschnitt, den die geplante Neuordnung des Tierarzneimittelrechts für Tierärzte bedeute und drang auf Änderung des vorliegenden Entwurfs: So plädierte auch er unter anderem für die Beibehaltung der 7-Tage-Regelung. Sie sei wirksam und gebe allen Beteiligten Rechtssicherheit. Dagegen solle, wie vom Bundesrat gefordert, die Pflicht zur Erstellung einer tierärztlichen Behandlungsanweisung besser entfallen, so der Sachverständige. Die Einhaltung lasse sich kaum überprüfen und werde in Kleintier- und Pferdepraxen zu erheblicher Bürokratie führen. In Nutztierpraxen hingegen sei sie bereits gesetzlich vorgeschrieben.

Imke Lührs vom Verein Ärzte gegen Massentierhaltung, unterstützte die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen nach einem verringerten Einsatz von Antibiotika in der Geflügelhaltung: Abgesehen von Mahnungen an die Geflügelwirtschaft habe die Regierung wenig getan, um die Anwendung von Antibiotika und sogenannten Reserveantibiotika in der Tierhaltung zu begrenzen, monierte die Internistin. Von dem Einsatz gingen aber große Gefahren für Mensch und Gesundheitssystem aus, so Lührs mit Verweis auf die Zunahme von multiresistenten Erregern (MRE) in der Nahrungskette: Tierische Produkte aus konventioneller Haltung seien in erheblichem Ausmaß mit MRE kontaminiert. Die Expertin plädierte deshalb für eine Ausweitung der Antibiogrammpflicht sowie ein vollständiges Verbot von Reserveantibiotika in der nahrungsindustriellen Tierhaltung.

Sabine Schüller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Tiergesundheit, betonte hingegen die Notwendigkeit eines eigenständigen Tierarzneimittelgesetzes. Es brauche aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit rechtzeitig zum Stichtag der Anwendung der europäischen Verordnung eine Neuordnung des nationalen Rechtsrahmens, so die Sachverständige. Der Entwurf sei zwar komplex, einige Regelungen bedürften zudem noch nachträglicher Ausgestaltung. Das betreffe etwa den Umgang mit antimikrobiellen Wirkstoffen. Doch käme das Gesetz nicht, drohten rechtliche Inkonsistenzen die tägliche Arbeit von Tierärzten und Tiergesundheitsunternehmen zu erschweren, warnte die Expertin für Geflügelvirologie.

Vor diesem Hintergrund begrüßte zwar auch Dirk Freitag, für das Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern zuständiger Abteilungsleiter, den Gesetzentwurf. Die Schaffung eines eigenen Tierarzneimittelgesetzes sah er dennoch kritisch: Damit werde der Weg des One-Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verknüpft betrachte, verlassen. Gerade in der Frage des Umgangs mit Reserveantibiotika sei dieser aber essentiell. Um ein Auseinanderdriften gemeinsamer Vorschriften zu verhindern, wäre ein gemeinsames Arzneimittelgesetz zielführender gewesen, meinte Freitag.

Das neue Tierarzneimittelgesetz enthalte wichtige Regelungen, etwa zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesbehörden bei Verfahren zur Erteilung einer Herstellungs- oder einer Großhandelserlaubnis, unterstrich wiederum Jürgen Sommerhäuser, Referent für Tierarzneimittelüberwachung im brandenburgischen Gesundheitsministerium. Es schaffe zudem dringend benötigte nationale Regelungen für den Einzelhandel mit Tierarzneimitteln, zu dem die EU-Verordnung schweige. Das neue TMG fülle genau die Lücken, die den Mitgliedstaaten gelassen wurden. Die Bundesregierung habe damit also eine solide Grundlage geschaffen, urteilte Sommerhäuser.

Dieser Auffassung widersprach Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden Auftrag der Weltgesundheitsorganisation und Ziele des European Green Deal nicht umgesetzt. Der Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung sei zwar gesunken, aber im Sinne des One-Health-Ansatzes längst noch nicht effektiv genug, so die DUH-Vertreterin. Benning forderte, im Tierarzneimittelgesetz ein Reduktionsziel festzuschreiben. Das hat sich in anderen EU-Staaten bewährt.

Quelle: Dt. Bundestag