18.10.2019rss_feed

Schaf- und Ziegenhalter diskutierten über die Zucht und Haltung von morgen

Beim interdisziplinären Workshop Zucht und Haltung von Schaf und Ziege in Deutschland am 16.-17. Oktober 2019 in Berlin diskutierte die Branche den aktuellen Stand der Wissenschaft und Praxis.


Dr. Erwin Hasenpusch, Präsident der DGfZ, hielt ein Grußwort vor über 100 Vertreterinnen und Vertretern der Schaf- und Ziegenzuchtverbände, der Agrarwissenschaft und der Tierzuchtbehörden

Dr. Erwin Hasenpusch, Präsident der DGfZ, hielt ein Grußwort vor über 100 Vertreterinnen und Vertretern der Schaf- und Ziegenzuchtverbände, der Agrarwissenschaft und der Tierzuchtbehörden

Am 16./17. Oktober 2019 lud das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu einem hochkarätigen Workshop Zucht und Haltung von Schaf und Ziege in Deutschland nach Berlin ein. Die Kooperationspartner Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e. V. (DGfZ), Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände e. V. (VDL) und Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter e. V. (BDZ) trugen maßgeblich zum Erfolg dieser Veranstaltung bei. Für die DGfZ ist es nicht das erste Mal, gemeinsam in Kooperation mit anderen Institutionen und Berufsverbänden den Blick auf die Entwicklung und Perspektiven von Schafen und Ziegen – auch international – zu richten.


Über 100 Vertreterinnen und Vertreter der Schaf- und Ziegenzuchtverbände, der Agrarwissenschaft und der Tierzuchtbehörden nahmen an dem Workshop teil, bei dem etwa 30 Referenten ihre aktuellen Erfahrungen, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Einschätzungen zu den Perspektiven der Schaf- und Ziegenhaltung präsentierten. Unter der Moderation von Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur der top agrar, wurden die Schwerpunktthemen Zucht und Haltung sowie angrenzende Themen, u.a. Wirtschaftlichkeit, Tierwohl und Umweltleistungen kleiner Wiederkäuer diskutiert. Einen weiteren Themenbereich stellten die Fördermöglichkeiten Tiergenetischer Ressourcen dar. Ziel des Workshops war, eine aktuelle Bestandsaufnahme anzufertigen sowie über den aktuellen Stand der Wissenschaft und Praxis zu informieren. Weitere Ziele waren die verschiedenen Vertreter gemeinsam einzuladen und damit auch den Wissensaustausch im Sinne einer interdisziplinären Veranstaltung zu unterstützen.

In seinem Grußwort stellte Herr Dr. Polten vom BMEL neben den Herausforderungen auch die Erfolge des gemeinsamen Engagements von Bund, Ländern sowie der Schaf- und Ziegenzuchtbetriebe heraus. Seit dem Jahr 2006 haben sich die Zuchttierbestände der 22 einheimischen Schafrassen insgesamt positiv entwickelt. Infolgedessen konnten acht Schafrassen in eine niedrigere Gefährdungsstufe der Roten Liste einheimischer Nutztierrassen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) eingeordnet werden. Im Rahmen seiner Projektförderung für den Bereich kleine Wiederkäuer hat das BMEL in den letzten sechs Jahren Projektmittel in Höhe von knapp 7 Mio. Euro eingesetzt. Zur weiteren Unterstützung des Bereichs setzt das BMEL bereits ein Handlungskonzept zur Weiterentwicklung der Tierzucht für eine nachhaltige Nutztierhaltung um. Es beinhaltet neben einer Status quo-Analyse der Nutztierhaltung, die Weiterentwicklung des GAK-Fördergrundsatzes Zucht auf Gesundheit und Robustheit, insbesondere für kleine Wiederkäuer. Weiterhin sollen die Aktivitäten der Deutschen Genbank landwirtschaftlicher Nutztiere und die Forschungsförderung auch für den Bereich kleine Wiederkäuer ausgebaut werden. Bei der Umsetzung dieses Handlungskonzeptes soll dem Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts eine wichtige Bedeutung zukommen.

Die Vorsitzenden von VDL und BDZ, Herr Gimber und Herr Merscher, verwiesen in ihren Grußworten auf die einzigartigen und besonderen Leistungen kleiner Wiederkäuer, aber auch auf die drastischen strukturellen Veränderungen in den letzten 20 Jahren. Es müsse jetzt gehandelt werden. Der Workshop sei ein hervorragender Auftakt, den Status quo der Schaf- und Ziegenhaltung aufzuzeigen.

Der Präsident der DGfZ, Dr. Erwin Hasenpusch, betonte anschließend, dass die Schaf- und Ziegenhalter vor wichtigen Entscheidungen für ihre Zukunft stehen und lud die Teilnehmer ein, im Rahmen dieses Workshops die Chance zu nutzen, mit allen Beteiligten in einen konstruktiven Dialog einzusteigen, um gemeinsam Lösungswege zu finden. Die DGfZ wolle diesen Dialog gern begleiten.

Im ersten Themenblock des Workshops wurden ökonomische und marktrelevante Rahmenbedingungen vorgestellt. Deutschland spielt mit 1,57 Mio. Schafen (= 1,8 % am EU 28 Bestand) in der EU eine vergleichsweise geringe Rolle. Bei einer Schafdichte mit 4 Schafen/km2 lässt sich ablesen, dass in anderen EU-Ländern eine deutlich höhere Anzahl Schafe/km2 gehalten wird. In Deutschland wird lediglich 3,2 % des Schaf- und Ziegenfleisches der EU-28 erzeugt. Bei einer vom Statistischen Bundesamt für 2018 geschätzten Bruttoeigenerzeugung von 31.000 t wurden im Jahr 2018 noch zusätzlich 53.600 t Lammfleisch importiert, um den Gesamtverbrauch von 74.000 t in Deutschland sicherzustellen. Als Gründe für den Rückgang der Anzahl von Schafen und Schafbetrieben in den vergangenen 12 Jahren wurde die Entkoppelung der Prämien und die angespannte Wirtschaftslage genannt.

Die erhöhte Konkurrenz aus dem Ausland bedeutet eine große Herausforderung für die zukünftigen Marktaktivitäten für deutsche Schaf- und Ziegenprodukte. Es gibt aber auch zahlreiche Möglichkeiten und Perspektiven sowie viele positive Beispiele, die den Betriebsleitern Mut machen, engagiert und offen für Veränderungen zu sein sowie zukunftsorientiert ihre Betriebe zu managen. Wichtig sei, den Rückgang an Schafhaltern und Schafen insgesamt zu stoppen und vor allem zukünftig mehr den Bedürfnissen des Marktes und den Verbraucherwünschen Rechnung zu tragen, wenn diese Tierhaltungsform auch noch in den nächsten Jahrzehnten eine merkliche Rolle spielen soll. Einig waren sich die Referenten, dass Schafe und Ziegen neben der Fleisch-, Milch- und Wollleistung auch einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt großflächiger, ökologisch wertvoller Areale leisten, Deiche pflegen, die langjährige Tradition der Schäfereien und betriebliche Existenzen in ländlichen Räumen erhalten. Diese von der Gesellschaft sehr geschätzten Leistungen verdienen jedoch auch eine adäquate finanzielle Wertschätzung.

Bei der Gestaltung eine nachhaltigen Schaf- und Ziegenhaltung spielt die Zucht eine besondere Rolle, da mit ihr schon wichtige Weichenstellungen für den ökonomischen Erfolg gesetzt werden. Hier gilt es, viel Aufklärungsarbeit zu leisten und gesellschaftliche Wünsche aufzugreifen. In den interessanten Vorträgen des Themenblocks Zucht und Genetik ging man daher der Frage nach, ob die Zuchtziele noch up to date sind und welchen Einfluss geänderte Rahmenbedingungen wie z.B. die novellierte EU-Tierzuchtverordnung und das aktualisierte Tierzuchtgesetz haben. Es wurde resümiert, dass die Zuchtziele in der Regel breit gefasst sind und die Zuchtorganisationen bei der Realisierung im Rahmen von Zuchtprogrammen mittels verschiedener Parameter und deren Gewichtung darauf Einfluss nehmen können. Die dazu notwendigen strukturellen Voraussetzungen sind in der Schaf- und Ziegenzucht allerdings begrenzt. Deshalb ist seitens der Milcherzeuger eine deutlich höhere Beteiligung an den Leistungsprüfungen erforderlich. Wünschenswert wäre auch, gewonnene Ergebnisse in den Betrieben besser zu nutzen.

Besonders die vermehrte Berücksichtigung des Tierwohls stellt hohe Ansprüche an die Definition der Zuchtziele und ihrer Umsetzung seitens des Zuchtverbandes. Die Zucht auf Krankheitsresistenz kann dazu einen enormen Beitrag leisten. Die Identifizierung und Nutzung entsprechender Genvarianten (Marker) kann eine aufwändige und nur unter bestimmten Bedingungen mögliche Erfassung von Merkmalen der Krankheitsempfänglichkeit weitgehend ersetzen. Allerdings konnten einzelne Marker der Krankheitsresistenz bisher nur in Ausnahmefällen in der Schaf- und Ziegenzucht etabliert werden bzw. stehen kurz davor (Scrapie, Maedi-Visna). Es gibt aber auch Resistenzen, die durch viele Genorte oder stark durch Umweltfaktoren beeinflusst sind. In diesen Fällen ist die klassische Zuchtwertschätzung erfolgversprechender.

Zur Erreichung der Zuchtziele können auch Selektionsverfahren helfen, wie z.B. die genomische Selektion, die bei anderen Tierarten schon sehr erfolgreich eingesetzt wird. Bei kleinen Populationen ist das Potential der genomischen Selektion allerdings begrenzt.

Am zweiten Tag wurden in weiteren Vorträgen die zukünftigen Herausforderungen für die Tiergesundheit und das internationale Methodenspektrum bei Amputationen vorgestellt. Als besondere Herausforderung wurde der wachsende Infektionsdruck durch den Klimawandel gesehen. Bestimmte Insektenarten spielen bei der Übertragung einer ganzen Reihe von Infektionserregern eine entscheidende Rolle. Es ist zu erwarten, dass solche vektorübertragene Krankheiten zunehmen werden. Auch wärmetolerante Parasiten stellen eine zusätzliche Gefährdung der Nutztierbestände dar. Dem Risiko kann zum Teil durch ein entsprechendes Forschungs-, Biosicherheits- und Informationsmanagement sowie durch Fortbildungsangebote entgegengewirkt werden, so die Referenten.

In einem eigenen Themenblock wurden die Umweltleistungen der kleinen Wiederkäuer aufgezeigt. Landschaftspflege, Biodiversität, Deichpflege und Offenhaltung schwieriger Flächen sind nur einige Stichwörter, die die besonderen Vorzüge der Schaf- und Ziegenhaltung für die Kommunen beschreiben. Einig waren sich die Referenten darüber, dass dringend über die Zukunft der Schaf- und Ziegenhaltung nachgedacht werden müsse, damit in den nächsten Jahren diese Tierhaltungsform noch wirtschaftlich Bestand haben kann. Dazu müsse aber die Bezahlung der Tierhalter durch Prämien überdacht werden. Optimierungsbedarf bestünde auch bei der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Attraktivität des Berufs für Neu- und Quereinsteiger. Nur Top-Betriebe können durch die Schaf- und Ziegenzucht derzeit existieren.

Das im Jahr 2003 durch die Agrarministerkonferenz beschlossene Nationale Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung Tiergenetischer Ressourcen sieht ein Bestandsmonitoring der in Deutschland gezüchteten Nutztierrassen vor. Dies wurde im letzten Themenblock vorgestellt. Die Gefährdungsbeurteilung einheimischer Nutztierrassen wird von der BLE in Zusammenarbeit mit dem bei der DGfZ angesiedelten Fachbeirat Tiergenetische Ressourcen durchgeführt. Das im Fachprogramm beschriebene Monitoring und die Gefährdungsbeurteilung einheimischer Nutztierrassen wird u. a. für die Nutztierarten Schaf und Ziege umgesetzt. Die guten Ergebnisse des Monitorings lassen den Rückschluss zu, dass die von Bund und Ländern umgesetzten Fördermaßnahmen für die Schaf- und Ziegenzucht wirksam sind und einen positiven Einfluss auf die Populationsentwicklung haben.

Um den Wissensaustausch zwischen Forschung und Praxis auch auf internationaler Ebene zu unterstützen, wird das BMEL einen Internationalen Kongress zu Schafen und Ziegen am 15.-16. Oktober 2020 in Bonn veranstalten.

Der Workshop lieferte dank der hochkarä­tigen Referenten und des engagierten Au­ditoriums wertvolle Informationen, Anregungen und Er­kenntnisse. Es wurde angeregt, den Dialog in kleineren Gruppen fortzuführen und weitere Handlungsoptionen zu erarbeiten.

Der umfangreiche Tagungsband (Heft 78 der DGfZ-Schriftenreihe) kann bei der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), Adenauerallee 174, 53113 Bonn, Fax 0228-91447 66; E-Mail: info@dgfz-bonn.de angefordert werden.

Quelle: DGfZ

PM 2019 Schaf Ziegen Workshop FINAL

 

Weiterführende Links:

BMEL

Kooperationspartner:

 

Ansprechpartner:
Dr. Bettina Bongartz
Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), Adenauerallee 174, 53113 Bonn,
Tel.: 0228-9144760, E-Mail: info@dgfz-bonn.de