23.05.2019rss_feed

Studie des Milchindustrie-Verbandes (MIV) zur Forschung im Milchsektor

Innovationen basieren vor allem auf Ergebnissen von Forschung und Entwicklung, die in Deutschland traditionell arbeitsteilig in den Unternehmen selbst und ebenso in Hochschulinstituten sowie vom Staat getragenen öffentlichen Forschungsinstituten durchgeführt werden. Die deutsche Milchindustrie ist deswegen für ihren wirtschaftlichen Erfolg auf eine leistungsfähige und an Transfer interessierte Forschungsbasis in Hoch-schulen und Forschungsinstituten angewiesen. Der Milchindustrie-Verband (MIV) hat deshalb 2018 eine neue Studie in Auftrag gegeben, um

• die aktuelle Sicht der Unternehmen auf Innovation, Forschung, Entwicklung und Transfer sowie auf die Lage der mit den Unternehmen kooperierenden Institute festzustellen und

• die Entwicklungen in den Instituten seit Vorlage der MIV-Studie 2007 und die Sicht der heute aktiven Milchwissenschaftler auf die Entwicklungen in ihrem Forschungsgebiet zu ermitteln.


Die Ergebnisse der o. g. Recherchen wurden im Februar 2019 in einem Workshop mit Mitgliedern der MIV-Arbeitsgruppe Forschung beraten. Eine Reihe ergänzender Hinweise und Diskussionsergebnisse sind in die Endfassung dieser Studie aufgenommen worden. Aus Sicht des MIV bietet die Studie eine wertvolle Basis für die anstehende Diskussion mit Wissenschaft und Politik für den Erhalt einer leistungsfähigen Milchforschung in Deutschland. Die ganze Studie lesen Sie hier.

Schlussfolgerungen

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass es an mehreren Standorten zu einem Abbau von Kapazitäten der angewandten Milchforschung gekommen ist. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit ist die Milchindustrie gefordert, die Aufmerksamkeit von Politik und Wissenschaft auf Entwicklungen zu lenken, die zu einer weiteren Schwächung der Milchforschung in Deutschland führen können. Angesichts des bevorstehenden Generationswechsels auf einer Reihe von für die Milchindustrie zentralen Lehrstühlen mit bisher fruchtbaren Kooperationen mit Unternehmen besteht Handlungsbedarf für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Dabei geht es insbesondere um:

  1. Agrar- und Wirtschaftspolitik sollten gegenüber Wissenschaftspolitik und Wissenschaft darauf drängen, dass anwendungsnahe Forschung, Wissens-transfer und Kooperation mit Unternehmen die ihnen gebührende Wertschätzung erfahren und wieder einen höheren Stellenwert erhalten.
  2. Die u. a. von der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech) vorgeschlagenen Kriterien für Leistungen in Forschung und Transfer sollten auch in den Disziplinen der Milchforschung bei Berufungen auf Lehrstühle und Institutsleiterstellen zur Anwendung kommen.
  3. Bund und Länder sollten Verantwortung übernehmen für eine überregionale Koordination der Entwicklungen in den Agrar- und Lebensmittelwissenschaften und verhindern, dass unkoordinierte regionale Entscheidungen das Gesamtsystem der anwendungsnahen Forschung dadurch schwächen, dass hier Forschungskapazitäten umgewidmet werden und für die Kooperation mit der Wirtschaft verloren gehen.
  4. Besondere Aufmerksamkeit ist den technologischen Disziplinen zu widmen, die sich mit der Verarbeitung von Rohstoffen und der Herstellung von Lebens-mitteln beschäftigen. Diese haben regelmäßig einen relativ hohen Investitionsbedarf und stehen auch nicht unbedingt im Mittelpunkt des Interesses von Öffentlichkeit und Studierenden.
  5. Das Potenzial der Ressortforschungsinstitute als Kooperationspartner der Unternehmen der Milch- und Lebensmittelindustrie für Forschungsprojekte sollte auch im Interesse einer wirksamen Politikberatung erhalten und nachhaltig gepflegt werden.
  6. In der Forschungsförderung sollten neben den Instrumenten, mit denen vorrangig Projekte mit Laufzeiten von zwei oder drei Jahren finanziert werden, vermehrt mittel- und längerfristig ausgelegte Programme aufgelegt werden, wie z. B. überregional ausgelegte Schwerpunktprogramme und Kompetenznetzwerke. Diese Programme sollten auch Möglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen umfassen, um Engpässe der Grundausstattung aufzufangen.
  7. Das für die Lebensmittelindustrie bewährte Förderinstrument der Industriellen Gemeinschaftsforschung sollte überarbeitet werden und den heutigen Gegebenheiten der mittelständisch geprägten Milchindustrie besser Rechnung tragen.
  8. Die Milchindustrie könnte das Instrument der Promotionsförderung stärker nutzen und z. B. prüfen, an Forschung interessierte und befähigte Mitarbeiter mit Masterabschluss für Forschungsprojekte zu beurlauben und zu finanzieren (kooperative Promotionen).
  9. Die Milchindustrie könnte auch das Potenzial des an vielen Fachhochschulen etablierten Fachgebiets Lebensmitteltechnologie stärker für Kooperationen in der Lehre nutzen und neue Studienangebotsformen wie z. B. das Duale Studium unterstützen. Ebenso könnten die Unternehmen die bislang zumeist noch spärlichen Forschungskooperationen mit interessierten Professoren von Fachhochschulen gezielt weiter entwickeln.
  10. Die Milchindustrie sollte im Interesse der Umsetzung ihrer Forderungen über-legen, in welcher Form sich die Branche an der Finanzierung von Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Forschungsbasis beteiligen kann. Dabei geht es nicht allein um die im Einzelfall geforderte Kofinanzierung für ein Forschungsprojekt. Vielmehr sind neue Formen des finanziellen Engagements der Wirtschaft zu prüfen, wie z. B. die Gründung einer Stiftung Deutsche Milchforschung, die regelmäßig mit Mitteln der Wirtschaft unterstützt wird und ebenso Zustiftungen ermöglicht. Als Grundstock für die Finanzierung einer solchen Stiftung könnten die bei der Rentenbank erwarteten Mittel eingesetzt werden, die seinerzeit von der Milchwirtschaft für die Absatzförderung der CMA aufgebracht wurden. Die Stiftung könnte z. B. Forschungsprojekte und Geräte-investitionen fördern, kooperative Promotionen finanzieren, Stipendien an Masterstudierende ausloben und auch Stiftungsprofessuren zur gezielten Stärkung der Forschungsbasis finanzieren.

Für eine wirksame Vertretung ihrer forschungspolitischen Anliegen sollte sich die Milchwirtschaft um einen Schulterschluss mit anderen Branchen der Lebensmittel-industrie und der Agrarwirtschaft bemühen. Die hier aufgezeigten Problemlagen, Herausforderungen und Lösungsansätze gelten in ähnlicher Weise für andere relativ kleine angewandte Wissenschaftsdisziplinen, die auf andere Branchen der Lebensmittelindustrie ausgerichtet sind.

Quelle: MIV